Glarus, die kleinste Hauptstadt der Schweiz

Die Stadt Glarus liegt eingebettet in eine imposante Bergwelt. Der auf etwa 470 m.ü.M. liegende Hauptort des Linthtales liegt zu Füssen des pyramidenförmigen rund 2300m hohen Vorderglärnischs. Dieser wurde 1655 als erster Berg naturgetreu auf Papier gebannt; der Atlantenmaler Jan Hackaert hat ihn in einer grossartigen Panoramaansicht wiedergegeben. Zudem diente er im 19. Jahrhundert für Studien zur „Felsenarchitektur“. An ihm, dem zerklüfteten und doch gleichmässigen Bergriesen, wurden Unterschiede und Analogien der natürlichen und der Kunstarchitektur erforscht. – Höchster Punkt des Gemeindegebietes ist nicht etwa das mit seinem schrägen Gletscherfeld bis weit ins Mittelland sichtbare Vrenelisgärtli, sondern der 2914 m hohe, ebenfalls zum Glärnischmassiv gehörende Bächistock. Verschiedene Bergsturzhügel prägen das Stadtbild mit, das sich an den Talfluss, die Linth, anlehnt. – Auf dem Burghügel thront die St.-Michaels-Kapelle, auf dem Bergli lädt ein Ausflugsrestaurant zum Verbleiben, auf dem Iselirain flattern an festlichen Tagen Fahnen, und der Sonnenhügel, auf dem einst der Galgen als Zeichen dafür stand, dass die Talleute selbst über Leben und Tod entscheiden konnten, gewährt modernen Wohnbauten erhöhte Lage. Die beiden einst für die Ver- und Entsorgung sowie die Industrialisierung wichtigen Bäche sind kaum sichtbar. Der Giessen – ein Seitenarm der Linth – und der vom Glärnisch her kommende Oberdorfbach sind eingedohlt und beeinflussen das Siedlungsbild nicht mehr.

Der Name „Glarus“ wurzelt vermutlich im romanischen „Clarona“, was hell, lichte Stelle im Gelände bedeutet und auf die romanische Besiedlung verweist. Die Bezeichnung Glärnisch mag den gleichen Ursprung haben: von „mons Claroniscus“ abgeleitet. Die Gemeindefläche beträgt 6921 ha: 180 ha (2,6%) überbaut, 1750 ha (25,3%) Wald, 2347 ha (33,9%) land- und alpwirtschaftlich nutzbar, 2644 ha (38,2%) Gestein und Wasser. – Sie wird von den Territorien der glarnerischen Gemeinden Näfels, Riedern, Netstal, Ennenda, Mitlödi, Schwändi, Schwanden und Luchsingen sowie vom schwyzerischen Muotathal (das weit über die Pragelpasshöhe ins Klöntal reicht) begrenzt. Die mittlere Wohnbevölkerung betrug 1998 rund 5500 Personen (die in etwa 2600 Haushaltungen leben). An der Volkszählung 1990 bekannten sich 51 Prozent zur evangelisch-reformierten und 42,4 Prozent zur römisch-katholischen Konfession. Rund 2 Prozent bezeichneten sich als mohammedanisch.

Besiedelung

Ortsbezeichnungen belegen eine Besiedelung des Linthtales etwa ab dem 5. Jahrhundert vor Christus; sie lassen die Anwesenheit von Ligurern, Räten, Kelten und Romanen erkennen.Laut durch Ausgrabungen gewonnener Erkenntnis stand die erste Talkirche im 6. Jahrhundert an der Stelle des heutigen Gerichtshauses in Glarus. Die Siedlung ist demnach viel älter als die meisten Schweizer Städte ohne römische Wurzeln.Erste urkundliche Erwähnung findet „Clarona“ in einer aus dem 9. Jahrhundert stammenden Lebensgeschichte der Heiligen Felix und Regula. Diese seien auf ihrer Flucht nach dem Gemetzel der thebäischen Legion in St-Maurice durch „wüste Orte der Einöde, die Clarona heisst,“ gezogen: nach Zürich, wo sie als Märtyrer den Tod fanden. Der Meierhof, als Sitz der Verwalter des Frauenklosters Säckingen befand sich in Glarus, das lange Zeit aus zwei getrennten Siedlungen bestand. Grosse Teile des Glarnerlandes gehörten bis Ende des 14. Jahrhunderts dieser Grundherrschaft, von der sich die Talleute loskauften, ihr aber noch bis 1790 einen „ewigen Jahreszins“ entrichteten.Auch die ersten Landsgemeinden mögen hier abgehalten worden sein; die älteste urkundlich belegte Landsgemeinde, an der sich die Glarner Landessatzungen gaben, fand 1387 statt. – Der Wert dieser Institution wird auch heutzutage kaum angezweifelt. Sie findet am 1. Sonntag im Mai auf dem Zaunplatz in Glarus statt; bei sehr schlechtem Wetter wird sie um eine Woche verschoben.Der frühe Kirchenbau – die Glarner Kirche war bis ins 13. Jahrhundert die einzige Pfarrkirche des Tales – und die zentrale Lage bestimmten die Entwicklung der Siedlung mit, die 1419 von der Landsgemeinde zum Hauptort bestimmt worden ist. Hier befanden sich die Ratshäuser des Landes, wurde Recht gesprochen, wurden Leute gefangen gehalten, an den Pranger gestellt oder gar zur Richtstätte geführt; hier gründete Huldrych Zwingli – von 1506 bis 1516 Pfarrer von Glarus, das sich nicht zuletzt wegen dieser Beziehung seiner Reformation anschloss – eine Lateinschule, und hier wurde 1560 das erste „Spital“ als Unterkunft für arme und „pesthafte“ Leute gebaut.Während der Helvetik war Glarus Hauptort des Kantons Linth (1798-1803).Da nach der Reformation die Gemeinde konfessionell gemischt blieb, ergab sich eine äusserst komplizierte Gemeindeorganisation. Dem Tagwen (inzwischen in der Ortsgemeinde aufgegangene Bürgergemeinde) gehörten alle Stimmberechtigten, gleich welcher Konfession, an. Das traf auch auf die gemeine Kirchgemeinde zu, welcher die mit der Einwohnerschaft von Riedern gemeinsam genutzte Kirche sowie einiges Vermögen unterstand. Deshalb trennten sich die Kirchgenossen von Mitlödi, Netstal und Ennenda auch nicht von ihr, als sie eigene Kirchen gebaut und eigene Kirchgemeinden gegründet hatten: Es setzte sich die gemeine Kirchgemeinde nicht nur aus Angehörigen verschiedener Konfessionen, sondern auch aus Aktiv- und Passivkirchgenossen zusammen, die zudem verschiedenen Gebietskörperschaften angehörten. – Auch war das Schul- und Fürsorgewesen konfessionell organisiert. Die verschiedenen Gruppierungen waren gezwungen, zusammenzuarbeiten, Verträge auszuhandeln, gemeinsame Gremien zu bilden. Der Stand Glarus nahm manche Entwicklung in der Beziehung der Konfessionen zueinander vorab – und dies glücklicher- und bezeichnenderweise -, ohne dass es zu offenem Krieg gekommen wäre.Nachdem Schule und Fürsorge zu Aufgaben der staatlichen Politik geworden sind und das Simultanverhältnis an der Stadtkirche 1964 mit der Weihe der St.-Fridolins-Kirche untergegangen ist, gibt es noch folgende selbstständigen Körperschaften: Ortsgemeinde Glarus, Schulgemeinde Glarus-Riedern, Fürsorgegemeinde Glarus-Riedern, Evang.-Ref. Kirchgemeinde Glarus-Riedern, Röm.-kath. Kirchgemeinde Glarus-Riedern-Ennenda.Die Gemeinden Glarus und Riedern bilden einen Landratswahlkreis, der 13 der 80 Glarner Landräte (Legislative) zu wählen hat. Zudem haben sie in einer Vereinbarung die Zusammenarbeit in Zivilschutz, Feuerwehr, Vormundschaft, Altersbetreuung, Spitex, Friedhofwesen geregelt.Im 20. Jahrhundert wurde Glarus vom Industriestandort zum Dienstleistungszentrum. Die Bevölkerungsentwicklung verläuft vergleichbar mit „echten“ Städten: wies die Volkszählung 1970 noch 6189 Personen aus, betrug die mittlere Wohnbevölkerung 1998 noch rund 5500 Personen. Wohnraum wird zum Arbeitsraum; in den Sektoren 2 und 3 bieten 512 Arbeitsstätten annähernd 4000 Arbeitsplätze an, davon 3300 im Dienstleistungsbereich. Die einst wichtigen Textilfabriken sind aus dem Ortsbild weitgehend verschwunden. Grösster Arbeitgeber ist das Kantonsspital, das über 400 Stellen anbietet.Glarus baute seine Infrastruktur stets aus. Es verfügt über unerschöpfliche Quellwasserreserven, ein Grundwasserpumpwerk, drei kleinere Stromproduktionsanlagen, eine Erdgasversorgung, und die Kommunikationsdaten werden von einer Grossgemeinschaftsantennenanlage bezogen und teils bereits durch Glaskabel (www.wbg-glarus.ch) verteilt.Das Schulangebot ist hervorragend: Sitz von Kantonsschule, Diplommittelschule, kaufmännischer Berufsschule, Pflegeschule. In der Grundstufe wird die Möglichkeit der Einführungsklasse angeboten sowie ein freiwilliges 10. Schuljahr, ein Werkjahr und eine Integrationsklasse. Die Schulen von Glarus besuchen rund 1700 Kinder und Jugendliche. Die Schulgemeinde betreibt einen Kinderhort und je ein privater Verein eine Kinderkrippe / die Musikschule. Das Freizeit- und Sportangebot ist ebenfalls vielfältig.